Lesenswertes
Das geschriebene Wort - allüberall in then Alpen
Wir lesen gerne! In dieser Kategorie stellen wir Ihnen monatlich verschiedene Romane, Krimis, Märchen, Sagen, Kurzgeschichten, Gedichte und andere literarische Sile, welche als Handlungsort die Alpen haben oder in den Alpen geschrieben wurden. Wir versuchen Ihnen eine breite Übersicht über bekannte Autoren und Autorinnen, Newcomer und zeitgenössische Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu geben. Und natürlich werden wir angeben, welche dieser Bücher eine ideale Reiselektüre abgeben könnten für Ihre nächste Reise in den Alpen.
Bei Einbruch der Nacht
Vargas, Fred: Bei Einbruch der Nacht. Aufbruch-Verlag. 2000
original: L'homme à l'envers. 1999
Während der Originaltitel des Krimis "L'homme à l'envers" auf das Hauptthema des Romans eingeht, den umgekehrten, umgedrehten Menschen, geht es beim deutschen Titel bereits um die Morde, die Tatzeiten.
Dieser Roman ist der zweite aus der Serie "Adamsberg" (Nr. 1 ist "L'Homme aux cercles bleus", deutscher Titel: "Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord"), dem seither noch einige gefolgt sind. Camille Forrestier, Musikerin, Komponistin und Installateurin, lebt in Saint-Victor-du-Mont im Mercantour Nationalpark, in den französischen Seealpen (Départements Alpes-Maritimes und Alpes-de-Haute-Provence).
Dort wohnt sie mit dem Kanadier Lawrence Donald Johnstone. Dieser ist ursprünglich Grizzly-Bären Forscher und Filmer und in Frankreich um die Wölfe, die sich im Mercantour angesiedelt haben, zu filmen. Der Beginn des Romans beschreibt ein dörfliches Idyll in den französischen Bergen, nahe der italienischen Grenze. Einzig die anstehende Visumsverlängerung von Lawrence scheint die Eintracht zu trügen. Aber dann kommt es zu Angriffen auf Schafherden, Mutterschafe werden gerissen. Große Bissspuren sind es, hier wir gemordet, nicht gefressen. Waren es die Wölfe aus dem Mercantour? Ein großer Hund? Blutrünstig und voller Tötungslust. Und es bleibt nicht lange aus, bis auch das erste menschliche Opfer auftaucht (immerhin auf S.69). Nur wer ist der Täter? Ein Tier? Ein Mensch? Eine Mischung aus beidem?
Und ja, dieses Werk ist auch ein Roadmovie und führt in einem klapprigen Schaftransporter, durch die französischen Alpen, über Grenoble bis knapp vor Paris. Ein spannender Krimi, vielleicht auch Thriller oder Mystery, den man nur schwer weg legen kann. Ein wunderbare Fährte wird ausgelegt, der man folgt, interessante Figuren begleitet man gerne und die Auflösung wischt wunderbar alle losen, angefangenen Erzählungsstränge auf. Wäre das ein US-amerikanischer Roman, wär das ein Show-Down, aber so ist es ein französischer Krimi mit Savoir-vivre, Wollschweiß, Lokalkolorit und L'Amour.
Fred Vargas ist ein Pseudonym, eines das teils aus der Familie entlehnt wurde, da die malende Zwillingsschwester bereits als Jo Vargas auftritt. Fred Vargas, geboren 1957, ist außerhalb ihres Pseudonyms Historikerin und Mittelalterarchäologin in Paris. Sie ist Tochter eines Kulturjournalisten und Schwester eines Historikers. Seit über 20 Jahren schreibt sie in ihrer Freizeit Krimis und dies sehr erfolgreich. Ihre Romane wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Sie hat zahlreiche Preise und Nominierung für ihre Polizeiromane erhalten und zwei Werke wurden verfilmt.
Ist dieser Krimi passende Reiselektüre? Wenn Sie Krimis lieben, unbedingt, man erfährt viel über das abgelegene Mercantour-Gebiet, über Schafe und Wölfe, die französischen Alpen, reist ein wenig durch die Gegend. Sollten Sie ängstlicher Natur sein und die Haustür stets zweimal verschließen, lesen Sie das Buch am Besten nach Ihrem Frankreich-Besuch, es könnte Ihnen sonst das Zelten, Wandern und die idyllische Landschaft verderben, v.a. wenn Nachts einer der wild lebenden Wölfe heult. Nachfahren kann man weder der Route des Road-Movies, noch den genannten Orten, da sie großteils erfunden wurden. Mercantour an der italienischen Grenze, Digne und auch Avignon und Grenoble sind ganz real, aber Saint Victor, Ventebrune, Pierrefort, Mont Vence, Andelle, Anélias, Guillos und La Castille sind fiktiv und stehen für die größeren und kleineren Dörfer im Mercantour Nationalpark.
Der Klappentext verspricht "Ein urkomisches Roadmovie, ein Krimi, eine leise Liebesgeschichte" und bei soviel auf einmal auf gut 300 Seiten, fast ein Grund, dieses Buch nicht zu kaufen. Ein Glück, dass man der Werbung nicht immer erliegt.
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel.
14.04.2008